Simon Kanzler - Vibraphonist Komponist
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Simon Kanzler
Wandern zwischen den Welten

Es gibt Berufe, in denen es sich mit einer doppelten Identität recht gefährlich lebt – wie den des Spions. Bei Künstlern ist dieser Zustand auch nicht ohne – kaum lebensbedrohlich zwar, aber immerhin ziemlich riskant. Wenn zwei Seelen wohnen, ach, in einer Brust, dann sollte Streit zwischen den beiden unterschiedlichen Wesenszügen vermieden werden und ein Dialog stattfinden, den Außenstehende auch nachvollziehen können. Der Vibrafonist und Komponist Simon Kanzler hat sich prächtig mit seiner „Double Identity“ arrangiert. Einerseits gehört der klöppelnde Tonsetzer dem Neuen-Musik-Lager an, andererseits fühlt er sich dem Jazz verpflichtet. „Man kann zwischen den Welten hin und her wandern. Sie inspirieren sich gegenseitig“, sagt er. Sein aktuelles Album „Double Identity“ (WhyPlayJazz/NRW) besteht aus zwei Teilen: einem in Quintettbesetzung (mit Klavier, Schlagzeug, zwei Bässen) und einem, bei dem ein Kammerensemble unter Chatschatur Kanajan zum Einsatz kommt. In beiden Segmenten der CD ziehen sich Gegensätze an: Intuition und Intellekt, Diffuses und Konkretes, Mystisches und Erdiges, Notation und Spontaneität. „Ich versuche, Improvisation und Komposition so zu verknüpfen, dass man nicht mehr merkt, wo das eine anfängt und das andere aufhört. Der niedergeschriebene Teil dient dazu, die Musiker zu animieren und ein Umfeld zu schaffen, eine Stimmung vorzugeben.“ Das mit der Stimmung gelingt Kanzler vortrefflich: Seine atmosphärischen Stücke sind of geheimnisvoll undurchdringlich, reizvoll dunkel, unvorhersehbar.
Ssirus W. Pakzad, Jazzthing Juni-August 2016

Simon Kanzler beim Jazzdor-Festival  
Für den jungen Berliner Vibrafonisten wird das internationale Jazz-Festival zum Sprungbrett.

(…) Neben alten und neuen Mitstreitern wie dem Power-Gitarristen Marc Ducret, dem psychedelischen Sun-Ra-Adepten Thomas de Pourquery oder dem britischen Free-Jazz-Urgestein Paul Rogers erfreut sich auch ein junger Berliner erstmals internationaler Aufmerksamkeit. Für Vibrafonist Simon Kanzler ist die Floskel "Hoffnungsträger" viel zu abgegriffen. Der trockene Sound seines Klimperkastens ist nicht nur in Deutschland ohne Vergleich. Kanzler ist ein lakonischer Träumer, der sich irgendwo zwischen Surrealismus und Neuer Sachlichkeit eingerichtet hat, ein begnadeter Erzähler und zugleich ein stoischer Meister des anspruchsvollen Understatements. Seine um den französischen Posaunisten Geoffroy de Masure erweiterte Band Talking Hands zählt zu den heimlichen Sensationen des jungen europäischen Jazz.
Text: Wolf Kampmann

Er nutzt die besonderen klanglichen Qualitäten seines Instruments, wenn er etwa die schwebenden Töne des Vibrafons im zweiten Teil von "Perception of Time" im Raum stehen lässt. Gleichzeitig ist Simon Kanzler aber auch am Austausch interessiert und da stößt er auf dem zweiten Album seiner Formation Talking Hands auf vier Musiker, die auch schwierigste rhythmische Partien mit Bravour meistern und gleichzeitig durch individuelle Beiträge bestechen. War es auf dem ersten Album noch die Saxophonistin Anna Webber, so greifen auf "Dialogue" gleich zwei Bläser ins Geschehen ein, der Saxophonist Otis Sandsjö und Geoffroy De Masure an der Posaune. Sandsjö ist ein vorsichtiger agierender Musiker, der Luft und Atem hörbar macht, sich aber auch in Tonkaskaden verlieren kann, de Masure ein echter Poltergeist, dessen kraftvoller Ausbruch in "Scabious Eruptions" von herrlich unverstellter Power ist. Nach wie vor dabei sind Igor Spallati und Tilo Weber an Bass und Schlagzeug, die den komplexen Stücken Kanzlers die nötige Bodenhaftung verleihen.
- Rolf Thomas Jazzthing Juni-August 2015

Von Simon Kanzlers Band Talking Hands steht auch die zweite CD in den Startlöchern. Schon der Titel „Dialogue“ erinnert auffällig an ein berühmtes Album, das Bobby Hutcherson Anfang der 60er-Jahre gemeinsam mit Andrew Hill für Blue Note aufgenommen hatte. Die Verschränkung von Makro- und Mikrostrukturen, das subtile Ineinandergreifen von Komposition und Improvisation, ohne dass sich beide Komponenten informell trennen ließen, vor allem aber die Osmose zwischen einzelnem Musiker innerhalb der Band und der Band als Ganzem erinnert bei Kanzler an das historische Album, nur dass das konkrete Klangergebnis wesentlich stärker an aktuellen Produktionen im Umfeld von Steve Lehman, Steve Coleman oder Vijay Iyer angesiedelt ist.
- Wolf Kampmann Jazzthing Februar/März 2015 


Simon Kanzler hat mit seiner Band Talking Hands nun das zweite Album „Dialogue“ eingespielt. Anstelle von Anna Webber ist auch hier Otis Sandsjö an den Reeds zu hören, Geoffroy De Masure übernimmt die Posaune, und Igor Spallati und Tilo Weber sind wieder an Bass und Schlagzeug dabei. Kanzler wagt sich noch wesentlich weiter aus dem traditionellen Rahmen seines Instruments heraus, macht das Vibrafon zum Sänger, verbindet kanonartige Strukturen seiner Bläser mit expressiven Klangbildern. Einmal mehr übersetzt der souveräne Bandleader mit seinem zweiten Streich die urbane Philosophie des New Yorker Labels PI Recordings in einen Berliner Kontext.  - Wolf Kampmann Jazzthing Juni/August 2014


Großes hat der junge Berliner Vibraphonist Simon Kanzler vor. Er steht noch ganz am Anfang seiner Laufbahn, hat aber einen ungemein trockenen, tropfenden Ton auf seinem Instrument, bei dem keine einzige Schwingung verschwendet wird. Gemeinsam mit Tilo Weber, dem Paul Motian des jungen Berliner Jazzgeschehens, Bassist Igor Spallati und Saxofonistin Anna Webber erschließt er sich eine faszinierende vierdimensionale Klangwelt. Mikrokosmisches löst sich in großen Entwürfen auf, die große Geste wird aber immer wieder in der kleinen Struktur aufgelöst. Ohne dass die Abläufe minimalistisch oder schematisch wirken würden, erinnert die Musik nicht selten an ein Farnblatt, bei dem man von der Gesamtform immer weiter zu den Mikroelementen geführt wird. Kanzler versteht sich mehr aufs Flüstern als aufs Schreien. Wenn man überhaupt Vergleiche ziehen will, dann zu so wichtigen Musikern wie Henry Threadgill oder Steve Lehman. Trotz seiner Jugend ist es nicht übertrieben zu sagen: Ein solches Vibraphon-Album hat es noch nicht gegeben.
– Wolf Kampmann Jazzthing September/ Oktober 2012

Simon Kanzler
Hauen und Lesen
„Nicht zu viel reden, stattdessen auf das Wesentliche kommen. Aus einer Idee ein Stück machen, eine Struktur erarbeiten.“ Das ist das Motto von Simon Kanzler. Der Vibraphonist ist 24 Jahre jung und redet in der Tat nicht viel, er bezeichnet sich als eher etwas still. An seinem Instrument allerdings lotet der in Berlin lebende Komponist nicht nur den langen, ruhenden Nachhall der Metallplatten aus. Er mag das Vibraphon, „weil es das Rhythmische so schön mit dem Melodischen und Harmonischen verbindet und so die perfekte Kombination von Klavier und Schlagzeug ist und vor allem auch, weil es ein sehr physisches Instrument ist und es einfach Spaß macht mit den Mallets auf die Platten zu ‚hauen‘.“ Mit der kanadischen Flötistin und Saxofonspielerin Anna Webber, deren expressives Spiel unter anderem bei Stefon Harris zu hören ist, dem melodischen Drummer Tilo Weber und Bassisten Igor Spallati hat Kanzler sein Debut veröffentlicht. „Talking Hands“ (Unit/Harmonia Mundi) präsentiert kein klassisches Jazzquartett, wo jedem Instrument seine angestammte Rolle zufällt. Das liegt am Freigeist der Bandmitglieder und ganz besonders am Konzept Kanzlers. Der nutzt nämlich die Fähigkeiten seines Klangkörpers für raffinierte Kompositionen, wo rasante Wechsel in den perkussiven Strukturen überraschen, temporeiche Brüche und hypnotische Patterns aufeinandertreffen, jazzige Liberalismen und streng geschichtete Zwölftonstudien sich in einander verzahnen. „Ich möchte Grooviges mit neuer Musik, mit stark durchkomponierter Musik verbinden“, betont Kanzler. Die New Yorker Steve Lehman oder Henry Threadgill auf der einen Seite, die modernen E-Musiker Messiaen und Ligeti auf der anderen haben den Musiker inspiriert, der kurz vor seinem Abschluss am Jazz-Institut Berlin steht. Für seine Band bedeutet das zwar: „Die haben immer viel zu lesen“, wie der Komponist schelmisch anmerkt. Aber mit seinem Verzicht auf das übliche Lead Sheet Geplänkel und dem Anspruch, „Improvisationsräume möglichst logisch in die Kompositionen einzubauen“, liegt Kanzler richtig. „Talking Hands“ bietet eine moderne Klangästhetik, die richtig swingt.
- Uli Lemke Jazzthing November/ Dezember 2012
 
2012 | Moritz Kronberger